Wer Stimmen hört und meint, dass sich die Straße in der Mitte aufklappt, muss zum Arzt oder läuft den „Badwater 135“ in Kalifornien. Michael Ohler vom TSV 1886 Kandel erzählt, wie es sich angefühlt hat auf den 135 Meilen in der Wüste und was seine Begleitcrew im Kofferraum hatte.
Kandel. Michael Ohler ist um den „Badwater 135“ reicher. Der 53-Jährige, der zur erweiterten Spitze der deutschen Ultraläufer gehört, bewältigte die 135 Meilen (217 Kilometer) durch Kalifornien in 29:11 Stunden, was ihm den siebten Platz unter 94 Gestarteten einbrachte. Nicht nur die Streckenlänge, auch die äußeren Bedingungen verlangten jedem alles ab.Anmeldung ausfüllen und Startnummer abholen? So einfach ist das beim Badwater nicht. Die Bewerbung berücksichtigt Teilnahmen an ähnlich gearteten Läufen wie Spartathlon oder Ultratrail Montblanc. Vorteilhaft für eine erfolgreiche Bewerbung ist, eine Begleitcrew zu haben. Es zeigt an, dass sich der Bewerber den kommenden Strapazen bewusst ist. Die Crew, vor Ort Pflicht, sind mehrere Personen, die den Läufer mit dem Auto begleiten. Ohlers Crew waren seine Tochter Jana und Manuel Steiner, ein Lauffreund aus Steinweiler. „Ich war noch auf der Suche nach jemand, der die Bedingungen vor Ort kennt und bestenfalls schon mehrmals durchlebt hat“, erzählt Ohler. Er wollte nichts dem Zufall überlassen. Dafür konnte er Thomas Reiss gewinnen, gebürtiger Südpfälzer, der vor einigen Jahren in die USA auswanderte und sich dort zum erfolgreichen Trailläufer entwickelte. Bereits 2020 war Ohler mit seiner Bewerbung erfolgreich. Der Ultralauf fiel wegen Corona aus. Für 2022 konnte er seinen Startplatz behalten und machte sich auf nach Badwater im Death Valley, dem tiefsten Punkt der USA, 88,5 Meter unter dem Meeresspiegel. Bereits die ersten Kilometer verlangten ihm alles ab: „Da der Start um 23 Uhr war und ich den ganzen Tag kaum schlafen konnte, stand ich schon etwas müde an der Startlinie.“ Bei 40 Grad Celsius.Nach 55 Kilometer hatte Ohler sein erstes großes Tief. Die Knie schmerzten auf dem Asphalt durch welliges Gelände. Nach 72 Kilometern kam Stovepipe Wells, der erste große Checkpoint. Ohler wechselte die Schuhe. Dort musste dann auch der erste von drei steilen Bergen in der aufkommenden Tageshitze bezwungen werden. Zum Town Pass ging es 21 Kilometer konstant hoch – und danach fast die gleiche Distanz wieder runter. Schon längst bestätigte sich die wichtigste Regel, die Crew maximal zu nutzen. „Selbst wenn eigentlich nichts mehr reingeht, haben sie mich zum Essen und Trinken gezwungen. Ohne die konsequente Zuführung von Nahrung kommt man nicht durch“, sagt Ohler. Er erklärt die Bedeutung von Salztabletten, um den Mineralhaushalt im Gleichgewicht zu halten.Nach 120 Kilometern stand mit der Erklimmung des „Father Crowley“ die wohl härteste Prüfung an: 25 Kilometer in der 50 Grad Celsius heißen Mittagshitze. Dabei waren Anstiege so steil, dass sie selbst im Gehschritt eine Herausforderung darstellten. An der Spitze konnte man schon das Ziel sehen, obwohl es noch 90 Kilometer entfernt lag. Ohler: „Die Aussicht war sehr beeindruckend, noch nie in meinem Leben konnte ich so weit sehen.“Der letzte Anstieg, ebenfalls über 20 Kilometer lang, führte Ohler auf das „Whitney Portal“, eingebettet im Mount Whitney. Auf 2800 Meter Höhe herrschten nur noch 18 Grad Celsius vor. Problematischer war dann schon, dass sich neben der körperlichen Ermüdung auch psychische Probleme einstellten. „Die andauernde Konzentration, welche vor allem auf den Bergabpassagen erforderlich war, führte zu starker Übermüdung, was in Schwindelanfällen mündete“, verweist Ohler auf seinen Zustand. Der sich verschlechterte. Halluzinationen stellten sich ein. Die Dunkelheit tat ihr Übriges. „Plötzlich sah ich, wie sich die Straße in der Mitte aufklappte.“ Er hörte Stimmen.Was bleibt, sind positive Erinnerungen. Das sportliche Ziel erreicht, konnte er die begehrte Gürtelschnalle, welche den Finishern unter 48 Stunden vorbehalten ist, ergattern. Ohne die perfekte Abstimmung im Team wäre solch ein Ergebnis nicht möglich gewesen, weiß Ohler: „Die Crew musste mindesten 120-mal anhalten, aussteigen, Kofferraumdeckel auf, mich versorgen. Das war der Wahnsinn, was sie geleistet hat.“Über 90 Liter Wasser, teilweise in eisiger Form, 30 Fünf-Kilo-Packungen Eis, 30 Liter isotonische Getränke und 24 Dosen Cola hatte die Crew geladen. „Obwohl wir hauptsächlich durch die Wüste liefen, war es extrem abwechslungsreich“, sagt Ohler. Das nächste Ziel wird davon nicht viel bieten können: Bei der Europameisterschaft im 24-Stunden-Lauf in Verona Mitte September muss so oft wie möglich ein 1525-Meter-Rundkurs gelaufen werden.
Von Dennis Bachmann
